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Wenn Obertshausener Schüler Schiffscontainer zu Wohnungen machen

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Start-up-Wettbewerb an der Georg-Kerschensteiner-Schule: Wirtschaftsgymnasiasten zeigen viele nachhaltige Ideen. Manche wollen sogar Weltmarktführer werden, die Gewinner dafür das Wohnungsproblem lösen.

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Offenbach Post vom 22.12.2023
von Steffen Gerth

Obertshausen – Man merkt Tim Deisenroth an, dass er es gewohnt ist, vor größeren Gruppen resolut aufzutreten. Schließlich leitet der 18-Jährige in seiner Freizeit Fußballspiele bis in die Gruppenliga, das ist schon gehobenes Amateur-Niveau. Und so einer kann dann auch eine Geschäftsidee überzeugend präsentieren – mit freier Rede und in modischem Anzug. Sein Partner Luka Strljic braucht dafür nicht mal ein Mikrofon, um der voll besetzen Aula der Georg-Kerscheiner-Schule (GKS) zu erläutern, was hinter der Idee „HOMEstic“ steckt: Ausrangierte Schiffscontainer zu Mini-Häusern oder Umkleidekabinen für Sportvereine umzufunktionieren.


Kreative Wirtschaftsgymnasiasten: Das erstplatzierte „HOMEstic“-Team mit Katharina Pohl, Luka Strljic, Tim Deisenroth und Marlon Weber (v.l.). In der Mitte Schulleiter Dirk Ruber. © gerth

Damit haben die jungen Leute, zu denen auch Katharina Pohl und Marlon Weber gehören, am Donnerstag den Wettbewerb „Start-Up-Projekt“ an der berufsbildenden GKS gewonnen. Sämtliche 13. Klassen des Wirtschaftsgymnasiums sollten verbindlich Ideen für Start-ups entwickeln, also Firmengründungen, mit Geschäftsmodellen, Investitionsplänen und Gewinnberechnungen. Wirtschaftskunde in der praktischen Anwendung eben.

Vor den Augen der Zwölftklässler

Alle 14 Ideen werden in der Aula in Vierer- oder Fünfergruppen vor den Zwölftklässlern vorgestellt, „damit dieser Jahrgang sehen kann, was im nächsten Schuljahr auf ihn zukommt“, wie es Franziska Schier formuliert, die als Lehrerin an der GKS und gelernte Veranstaltungskauffrau die Präsentation am Donnerstag organisiert hat.

Offensichtlich ist, dass die jungen Leute bei ihren Start-up-Konzepten Klima- und Umweltschutz viel Platz geben. Und sie sind erstaunlich kreativ und ehrgeizig. „Wir sollen auf der Welt die Nummer eins sein“, sagt einer aus dem Team „Hearing Glasses“, das die Idee für eine Brille entwickelt hat, die dem Nutzer das Gesprochene des Gegenübers aufzeichnet und als Text vor den eigenen Augen aufschreibt. Für hörgeschädigte Menschen wäre das eine große Hilfe.

Pfandautomat für einen guten Zweck

Die achtköpfige Jury (unter anderem mit Bürgermeister Manuel Friedrich, Schulleiter Dirk Ruber und Heiko Röhrig, bei der Volksbank Rhein-Main Abteilungsleiter Firmenkunden) wählt auf Platz drei letztlich das Start-up „KryptoETFusion“. Das ist ein Aktienfonds, der zu 70 Prozent aus Dax-Aktien und zu 30 Prozent aus Kryptowährungen (wie etwa Bitcoin oder Ethereum) besteht. Den zweiten Platz erreicht „GoBottle“, mit ihrer Idee, dass Pfandautomaten in den Innenstädten das Geld direkt an gemeinnützige Einrichtungen überweisen.

Unterstützt wurden alle Teams wieder vom Team Offenbach der Wirtschaftspaten, einem Verein mit ehemaligen Managern, die heute ehrenamtlich Firmengründern zur Seite stehen.

Ein Schiffscontainer ist größer als eine Gartenlaube

Das gilt auch für das „HOMEstic“-Team. Und was sich aus ausrangierten Schiffscontainern alles machen lässt, beschreibt Katharina Pohl: Sie könne man gut auf Garagen von Mehrfamilienhäusern setzen, um somit Wohnungen zu schaffen. Warum nicht? Schließlich haben die größten solcher Container ein Fassungsvermögen von 68 Kubikmeter, das ist mehr als eine Gartenlaube.

Bei der Frage, ob die vier Sieger nach dem Abitur auch eine Unternehmerlaufbahn anstreben würden, fallen die Antworten gemischt aus. Während Luka Strljic und noch mehr Tim Deisenroth stark motiviert sind, sich selbstständig zu machen, sind ihre Mitstreiter reservierter. Katharina Pohl hat Interesse an Marketing und möchte später in dieser Branche arbeiten.

Tennis, Querflöte und Gedichte schreiben

Marlon Weber, mit 21 Jahren der älteste aus dem Quartett, will den Weg als Finanzmanager einschlagen. Interessant aber auch die Hobbys des Siegerteams: Da ist Fußballschiedsrichter Tim Deisenroth. Luka Strljic schreibt Gedichte, Katharina Pohl spielt Tennis und Querflöte, Marlon Weber hat ein Faible für Kraftsport.

Es gibt nicht viele berufsbildende Schulen, die so einen Wettbewerb als Unterrichtsform verlangen. „Die Schüler sollen sich an einem Gegenstand abarbeiten“, lautet einer der Merksätze von GKS-Schulleiter Dirk Ruber. Und sie sollen sich auch mal vor gut 200 Zuhörern beweisen, was in der Aula allerdings einige Teilnehmer herausfordert. Und so schicken die „HomeStic“-Leute nur die selbstbewussten Strljic und Deisenroth auf die Bühne. Denn wer als Jugendlicher sonntags raubeinige Fußballer bändigt, die auch mal doppelt so alt sind, stellt auch ein Start-up vor. (Steffen Gerth)

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