Ein Stockkampfkurs zum Thema Glück, Kraft und Selbstbewusstsein an einer Beruflichen Schule - wie soll das funktionieren?

An der Georg-Kerschensteiner-Schule in Obertshausen hat man einen mutigen Schritt gewagt und die philippinische Kampfkunst-Philosophie vorgestellt. Das Stock-Kampf Projekt wurde vom 20-22.11.2018 unter der Leitung und Verantwortung der Abteilungsleiterin Frau Sartor und der Bewegungspädagogin Pia Andrè mit den Klassen der 10BFS und der Klasse 10BBV-1 an drei Tagen intensiv durchgeführt. In diesen Klassen werden Hauptschüler im Alter von 15-17 Jahren aufgenommen und dort entweder zum Mittleren Bildungsabschluss bzw. Hauptschulabschluss geführt oder reif für eine Ausbildung gemacht.

Seit vier Jahren ist in diesen Lerngruppen das Unterrichtsfach Glück/Persönlichkeitstraining als regelmäßiges wöchentliches Fach eingeführt. Im Rahmen dieses Unterrichtsfaches fand das Stock-Kampf-Projekt in der Aula der GKS statt. Alle Klassen erhielten die Möglichkeit, an zwei Tagen jeweils in einer Doppelstunde an diesem Projekt teilzunehmen.

Ein gewagtes Projekt, da „Kampfsport“ nun nicht wirklich zum Unterrichtsplan der Schülerinnen und Schüler gehört. Warum dieses Projekt? Die Themen Glück, Eigenwahrnehmung, Selbstbewusstsein, Umgang mit Aggression sind im Schulalltag immer wieder Themen, die oft mit Konflikten, Stress und Missverständnissen einhergehen und alle Schüler bewegen. Wie gehe ich mit meinen enttäuschten Gefühlen, der Konkurrenz, meiner Zukunftsangst oder meiner ersten Liebe im täglichen Leben um?

Im Kampfsport sind Respekt vor sich selbst, der Waffe und dem Gegenüber genauso wichtig, wie das Übernehmen von Verantwortung für das eigene Denken und Handeln. Im Stress eine Balance zwischen „Tun“ und „Nicht-Tun“ zu finden und dabei gleichzeitig eine Wahrnehmung für Raum, Nähe und Distanz zu entwickeln, sind nur einige Basisgrundlagen des Kursinhaltes.

Als die Gruppe zum ersten Termin erschien, gab es erstmal eine intensive Auseinander-setzung mit dem Kampfstock, dem Material (Rattanpalme) und den Gefahren, die von einem solchen Schlagstock ausgehen können. Sicherheit und Achtsamkeit sind hier oberste Regel. Den Anweisungen der Trainerin war absolut Folge zu leisten. Der Umgang mit diesem Instrument wurde zunächst in verschiedenen Fang- und Wurfübungen gelernt, bevor in kontrollierten, einfachen Abläufen aufgezeigt wurde, wie man damit mit einem Kampfpartner verantwortungsvoll umgeht.

Außerdem wurden verschiedene Denkansätze vorgestellt. Wie gehe ich damit um, wenn mir der Stock herunterfällt, mir eine Übung nicht gelingt oder ich angegriffen werde? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Als oberstes Prinzip wurde das INNEHALTEN gelehrt. Was heißt das praktisch? Fällt der Stock hin, renne ich nicht gleich hinterher, ich könnte von anderen Stöcken getroffen werden, da noch andere mit mir in der Halle trainieren. Sicherheit geht vor: ICH HALTE INNE = Ich stoppe kurz, atme, bewahre Ruhe und entscheide dann, was ich tue. Niemand kann mich wütend machen — alleine ich entscheide immer wieder neu, was ich denke und wie ich reagiere. Gelingt mir etwas nicht, muss ich nicht gleich verzweifelt und frustriert sein. Fehler zu machen ist in Ordnung und gehört zum Lernprozess dazu. „Juhu, der Stock ist gefallen“ – Ich schenke mir ein Lächeln und übe weiter, dadurch werde ich besser. Ich habe Zeit. Diese Gedankensätze führen so zu einem entspannten, stressfreien Lernen, was auch effektiver wird.

Es wurden diese und viele andere Regeln eines Kämpfers im Umgang mit dem Gegner eingeübt. Dann ging es aber los. Es wurden etliche sportliche Übungen, unterstützt durch Musik und Rhythmus, miteinander durchgeführt. Tänzerisch haben die Schülerinnen und Schüler Schlag- und Abwehrtechniken mit dem Stock erlernt und dann auch tatsächlich mit einem Partner gekämpft. Ein Satz der Kursleiterin -„Immer die Augen offen halten, es könnte der Moment sein, in dem du den Kampf verlierst“ - zeigte: In der Stockkampfkunst lernt der Teilnehmer seine eigene Kraft kennen, zu kontrollieren und konstruktiv einzusetzen.



Die Schüler waren von Anfang an mit vollem Einsatz dabei, beachteten die strengen Umgangsregeln und waren begeistert von der Musik und den Rhythmus-Übungen mit den Stöcken. Insbesondere das Anfangs- und Schlussritual zur Trainingsstunde wurde als besonders cool empfunden. Das Training begann und endete jeweils mit den vier Sätzen: Ich suche nach Wissen – Ich biete Respekt – Ich gehe zum Ursprung – Ich bin bereit und beginne das Training. Dazu wurde eine bestimmte Bewegungsabfolge – Kata - mit den Stöcken durchgeführt.
Aggressionen sowie anfängliche Schüchternheit waren schnell verflogen und alle wollten gemeinsam den Tag gestalten. Ein Erlebnis, das auch noch nach dem Kurs die Schüler verändert hat. Der Umgang im Klassenalltag ist ruhiger und konzentrierter. Auch die Einschätzung der eigenen Leistung und Verantwortung hat sich nachhaltig verbessert. Die Teilnehmer wurden nach den Kurstagen befragt und das Feed Back war eindeutig: (Hier einige Stimmen):
„Der Kurs hat unsere Klassengemeinschaft gestärkt, meine Selbstsicherheit wurde gestärkt, ich bin mutiger und freier geworden, ich verzeihe mir Fehler, ich hatte viel Spaß mit der Gruppe, diese Art von Training mit Musik ist zwar ganz schön anstrengend, macht aber mehr Spaß als zehn Runden um den Sportplatz zu laufen und ich habe Ideen für den Umgang mit meinem eigenen Alltag gefunden. Meine Gedanken über mich selbst und andere entscheiden, wie erfolgreich ich im Leben bin.“

Bewegung und Musik sind der Schlüssel für die Teilnehmer, sich gegenüber neuen Themen zu öffnen. Pädagogische, sensorische, motorische und soziale Ziele können in einem Kampfsportkurs vereint werden und den Schülern aktiv im Schulalltag helfen. Damit ist auch die Frage im Titel beantwortet: Natürlich kann ein Kampfsportkunst-Kurs an einer Beruflichen Schule funktionieren und es braucht auch mal etwas Mut, um neue Impulse in den Unterricht zu integrieren. Ein Projekt, das in einer modernen Schule nicht fehlen sollte.

Ein Teil dieser Ideen wird im Sportunterricht fortgesetzt, wo die Schülerinnen und Schüler weiterhin unter Anleitung ihrer Sportlehrkräfte einige Stockkampftrainingseinheiten erhalten werden sowie auch einige Unterrichtseinheiten in Selbstverteidigung.

Unser Dank gilt auch den Sponsoren dieses Projekts, ohne deren finanzieller Unterstützung dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre: Der Kreis Offenbach und die Sparkasse Langen Seligenstadt. Hier gibt es Zusagen, das Budget für solche Projekte aufzustocken, sodass es im nächsten Schuljahr vielleicht wieder möglich ist.

ebGKS